LAG Hessen: Verlängerung der „Probezeit“ in Ausnahmefällen

1. Die Rechtslage

Genau genommen geht es dabei gar nicht um die „Probezeit“. Denn die Probezeit ist die vereinbarte Zeit, in der man mit einer kürzeren (in der Regel) zweiwöchigen Kündigungsfrist statt mit der längeren von mindestens vier Wochen kündigen kann.

Entscheidend ist vielmehr, ob man sich als Arbeitgeber ohne langwierige Diskussionen vor Gericht von dem Mitarbeiter trennen kann, weil er noch keinen Kündigungsschutz hat. Dafür gilt bei Neueinstellungen nach dem Kündigungsschutzgesetz eine „Wartezeit“, die bei Neueinstellungen immer sechs Monate beträgt, auch wenn dies vertraglich nicht ausdrücklich vereinbart ist.

Geht eine Kündigung in den ersten sechs Monaten seit Vertragsbeginn zu, dann hat der Mitarbeiter noch keinen Kündigungsschutz. Geht sie danach zu, dann hat der Mitarbeiter vollen Kündigungsschutz und die Kündigung muss den gleichen Maßstäben der Arbeitsgerichte für verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründe standhalten, die auch für langjährige Mitarbeiter gelten.

2. Die Lösung

Das LAG Hessen hat einen Weg bestätigt, mit dem man eine zweite und rechtssichere Frist für die Erprobung des Mitarbeiters gewinnt:

Hierzu kündigt man am Ende der Wartezeit der ersten sechs Monate. Die Kündigung wird aber nicht mit der kürzest möglichen Frist von in der Regel zwei Wochen ausgesprochen, sondern mit einer verlängerten Frist von bis zu sechs Monaten zum Monatsende.

Das Gericht sieht darin keine Umgehung des sonst nach sechs Monaten einsetzenden Kündigungsschutzes. Denn der Mitarbeiter erlangt zwar nach sechs Monaten Kündigungsschutz, die zuvor ausgesprochene Kündigung bleibt aber trotzdem wirksam.

In der Literatur wird es teilweise als ausreichend angesehen, wenn die längste einschlägige gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist nicht überschritten wird. Nach der Rechtsprechung des BAG kann eine weitere sechsmonatige Erprobung sachgerecht sein, wenn sich die ursprüngliche Erprobungszeit aufgrund besonderer Umstände als nicht ausreichend erwiesen hat (vgl. BAG, Urteil vom 2. Juni 2010 – 7 AZR 85/09 ). Auch wenn der Sachverhalt der eben zitierten Entscheidung nicht unmittelbar auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, so wird dennoch deutlich, dass auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen ist und sich eine schematische Prüfung verbietet.

So kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nach sechs weiteren Bewährungsmonaten auslaufen lassen, ohne dass wegen Kündigungsschutzes vor Gericht Probleme zu erwarten sind.

Wählt man diesen Weg, dann ist eine nochmalige kurzfristige Kündigung während der eingeräumten Bewährungsfrist wegen des zwischenzeitlichen Kündigungsschutzes aber nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.

Das LAG Hessen hat sich jedoch nicht mit weiteren Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte ( LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 24.06.2014 – 5 Sa 222/13 ; LAG Baden-Württemberg v. 06.05.2015 – 4 Sa 94/14) auseinandergesetzt, die eine kürzere Frist angenommen haben, ebenso nicht mit der nachfolgenden Entscheidung des BAG zu einem Aufhebungsvertrag, wo eine Frist von 4 Monaten als zulässig erklärt wurde. Es sollte daher diese Frist nicht überschritten werden.

3. Die Umsetzung

Auch bei einer Kündigung in den ersten sechs Monaten ist ein eventuell vorhandener Betriebsrat anzuhören. Dazu sind die Gründe für die Kündigung zu nennen. Der alleinige Hinweis auf die laufende Probezeit reicht nicht aus. Gerne sind wir bei diesbezüglichen Fragen mit Tipps behilflich.

Die Formulierung der Kündigung selbst kann wie folgt lauten:

Sehr geehrter Herr ..., wir nehmen Bezug auf das am ... geführte Personalgespräch. Am ... enden die ersten sechs Monate unseres Arbeitsverhältnisses. Wie besprochen sind wir aktuell von der gemeinsamen Zusammenarbeit nicht überzeugt. Daher kündigen wird heute das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis. Zugleich wollen wir Ihnen - wie ebenfalls besprochen - eine verlängerte Möglichkeit zur Bewährung einräumen. Daher kündigen wir nicht mit der kürzestmöglichen Frist, sondern mit einer Frist von max. 6 (besser 3 - 4) Monaten zum Monatsende, das ist der ... . Abschließend müssen wir Sie aus gesetzlichen Gründen darauf hinweisen, dass Sie sich drei Monate vor dem vorgenannten Endtermin bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und aktiv um eine neue Beschäftigung zu bemühen haben, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht aus diesen Gründen zu gefährden. PLZ Ort, den … ………………………….. Unterschrift Arbeitgeber

Das genannte Personalgespräch sollte tatsächlich stattgefunden haben. Der Mitarbeiter muss die Kündigung am letzten Tag der ersten sechs Monate des formalen Bestands des Arbeitsverhältnisses in Händen halten. Hier ist beim Postversand über das zu empfehlende Einwurfeinschreiben die Postlaufzeit zu berücksichtigen. Besser übergibt man die Kündigung daher schon im genannten Personalgespräch.

4. Alternative Aufhebungsvertrag

Ebenso ist es möglich, mit dem Mitarbeiter einen Aufhebungsvertrag mit einem über die Kündigungsfrist hinausgehenden Beendigungszeitpunkt abzuschließen. Ein Arbeitgeber, der eine mit der Wartezeit gleichlaufende sechsmonatige Probezeit als nicht bestanden ansieht, kann, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln, anstatt das Arbeitsverhältnis innerhalb der Frist des § 1 Abs. 1 KSchG mit der kurzen Probezeitkündigungsfrist zu beenden, dem Arbeit-nehmer eine Bewährungschance geben, indem er mit einer überschaubaren, längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung in Aussicht stellt (BAG v. 07.03.2002 – 2 AZR 93/01). Hierbei muss der Betriebsrat nicht beteiligt werden.

Bsp.: Aufhebungsvertrag

Präambel Dieser Aufhebungsvertrag wird zur Vermeidung einer Kündigung vor Ablauf der Wartezeit gem. § 1 KSchG abgeschlossen. Mit dem Arbeitnehmer ist besprochen, dass und aus welchen Gründen eine Bewährung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden kann. Die Parteien sind deshalb übereingekommen, das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von … Monaten zu beenden. Dem Arbeitnehmer soll Gelegenheit zur Bewährung mit der Aussicht auf Fortführung des Arbeitsverhältnisses gegeben werden, über die der Arbeitgeber zu gegebener Zeit nach freiem Ermessen entscheiden wird. Sie schließen hierzu folgenden Aufhebungsvertrag: 1. Das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer begründete Arbeitsverhältnis wird im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des … (max. Frist 4 Monate BAG v. 07.03.2002 – 2 AZR 93/01 – DB 2002, 1997.) aufgehoben. 2. Der Arbeitnehmer … wurde auf ein mögliches Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld und die Möglichkeit des Eintritts einer Sperrfrist hingewiesen. Es ist dem Arbeitnehmer … bekannt, dass verbindliche Auskünfte über die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen dieser Aufhebungsvereinbarung nur die zuständige Agentur für Arbeit erteilen kann.

Nach § 38 SGB III sind Personen, deren Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld elektronisch im Fachportal der Bundesagentur für Arbeit oder persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Der Arbeitnehmer ist zudem verpflichtet, selbst bei der Suche nach einem anderen Arbeitsplatz aktiv zu werden.

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